Zwischen Wasser und Feuer

Spiegel:

Polen ist die letzte Station auf der Reise von US-Außenminister Mike Pompeo durch Mittel­ost­europa: Er versucht, Verbündete gegen China zu gewinnen. Doch den Ländern geht es vor allem um Schutz vor Russland.

US-Außenminister Mike Pompeo mit Ehefrau Susan und seinem tschechischen Amtskollegen Tomas Petricek (2. v. r.) und dessen Gattin Iva in Pilsen

Warschau ist die vierte und letzte Station auf Pompeos Reise durch Mittelosteuropa – nach Tschechien, Slowenien und Österreich. Sein Ziel war es, diese Länder zu Verbündeten im Konflikt zwischen Amerika und China zu machen. Für Warschau und Prag allerdings ist die chinesische Gefahr eher abstrakt – russisches Machtstreben dagegen eine reale Bedrohung.

In Prag traf sich Pompeo zum Arbeitsessen mit Premier Andrej Babis in der neubarocken Kramář-Villa auf dem Prager Letná-Hügel. Während ausgelöste Wachteln mit Pilzen, Gänseleber und Sellerie-Asche serviert wurden, betonte er seinen Stand­punkt, dass Peking daran arbeite, die westliche Allianz aufzubrechen. China versuche, so Trumps Chefdiplomat in Prag, „unsere Freiheit zu zerstören. Sie müssen ja nur sehen, was in Hongkong passiert.“

Vor allem westliche Beobachter fühlten sich dieser Tage an die Zeit des Irakkriegs erinnert. Denn Pompeos Reise war sicher nicht als Neubeginn in den trans­atlantischen Beziehungen gedacht, sondern zielte eher auf die Spaltung Europas ab. 2003 hatte die US-Regierung für die Invasion Verbündete gesucht. Und sich, weil westliche EU-Länder wie Deutschland und Frankreich nicht mitmachen wollten, an die post­kommunistischen EU-Aspiranten gewandt. Erfolgreich: Polnische Truppen besetzten später eine Zone im eroberten Irak, auch andere Osteuropäer wie Tschechen und Ungarn zogen mit. Der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nannte diese Länder seinerzeit griffig das „neue Europa“, das an der Seite Amerikas globalen Bedrohungen begegnen wolle. Während das „alte Europa“ sich heraushielt.

Allerdings hat sich Europa seit damals verändert. Die Osteuropäer sind respektierte EU-Mitglieder und mit dem Rest der Welt eng verwoben. Für sie ist Amerika – trotz so mancher Tiraden gegen Brüssel – bündnis­politisch eine Ergänzung, aber keine Alternative zur EU.

Die polnische Regierung scheint nun hin- und hergerissen zwischen Loyalität gegen­über Amerika und wirtschaftlichen Sorgen: Premier Morawiecki ist wohl dafür, eine Anti-Huawei-Erklärung zu unterzeichnen – wohl auch im Namen der amerikanisch-polnischen Waffenbrüderschaft. Doch andere Minister seiner Regierung fürchten, China könne als Reaktion polnische Lebens­mittel­einfuhren stoppen. „Wir müssen Wasser und Feuer versöhnen“, zitiert die Warschauer Zeitung „Gazeta Wyborcza“ ein Kabinettsmitglied.

Die Zeit:

Der US-Außenminister will bei seinem Besuch auch an einer Feier anlässlich des 100. Jahrestags der Schlacht bei Warschau im August 1920 teilnehmen. Die von Historikern und Autoren auch als „Wunder an der Weichsel“ bezeichnete Schlacht brachte die entscheidende Wende im polnisch-sowjetischen Krieges, der nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der damit verbundenen Unabhängigkeit Polens ausgebrochen war. Polen drängte nach einem viermonatigen Krieg die Rote Armee erfolgreich zurück und konnte Teile seines historischen Staatsgebiets in der heutigen Ukraine, Belarus und Litauen zurück­gewinnen. Für Experten ist dieser Sieg nicht nur für das unabhängige Polen, sondern auch für Europa historisch bedeutend. Die Niederlage hielt die Sowjetunion davon ab, ihre Weltrevolutionspläne zu verwirklichen.

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