Jana Hensel, Die Zeit:

Wahrscheinlich deshalb habe ich mir nach ihrem Auftritt die Frage gestellt, was eigentlich passieren würde, wenn ich als Frau schriebe, Robert Habeck für den besseren Kandidaten zu halten. Ob das zu äußern, nicht ein gewagtes Unterfangen darstellt? Ob man mir als Frau, als Feministin, als beinahe Gleichaltrige nicht vorwerfen würde, mich ihr gegenüber nicht solidarisch zu verhalten? Mehr noch, ob man mir nicht absprechen würde, eine Feministin zu sein?

Ich will es dennoch einmal versuchen. Ich will beschreiben, warum ich es als Frau und Feministin für ebenso fortschrittlich halten würde, wenn eine so progressive Partei wie die Grünen sich in diesem Wahlkampf statt für eine Frau für einen Mann als Kanzlerkandidaten entschiede.

Ω Ω Ω

Auf eine Frau darf nun auch mal wieder ein Mann folgen, werden viele denken. Wobei man der Vollständigkeit halber erwähnen muss, dass sich in der Ära Merkel für Frauen vor allem in ökonomischer Hinsicht nicht viel verändert hat. Geschweige denn, dass mit einer Frau an der Spitze weitere Frauen in nennenswertem Umfang in verantwortungsvolle Positionen aufgestiegen wären. Deutschland also insgesamt weiblicher geworden wäre. Nein, im Gegenteil, die bittere, feministische Lehre der Merkel-Ära lautet: Die Frage, welche Partei die unverändert hohe strukturelle Ungleichheit in unserer Gesellschaft wirklich verändern will, ist weitaus zentraler. Das ist eine Aufgabe, die sich für Männer ebenso stellt wie für Frauen.

Bookmark the permalink.